Sobald wir ein Dorf betreten, werden wir von den Bewohnern begrüsst und umringt. Beim Besuch eines dieser Dörfer kam ein Mädchen auf allen Vieren auf uns zu und bat uns um Hilfe. Die junge Frau heisst Muthammal, ist etwa 20 Jahre alt und Analphabetin. Ihre Beine sind lahm. An eine Gehhilfe oder sogar einen Rollstuhl ist nicht zu denken. So etwas gibt es nicht in den Kalrayan-Hills. Deshalb muss sie sich mit den Armen, die Beine hinter sich herziehend, fortbewegen. Ihre beiden jüngeren Schwestern und ihr älterer Bruder sind alle schon verheiratet. Sie lebt jetzt noch als einzige bei Ihren Eltern. Wie diese uns später stolz berichten, führt sie den Haushalt selbst. Wir nehmen an, dass sie kocht und alle Dinge verrichtet, die im Sitzen möglich sind. Trotzdem sieht ihre Zukunft düster aus. Ohne Bildung und mit ihrer Behinderung wird sie nie eine Familie haben. Was geschieht mit ihr, wenn die Eltern einmal krank werden oder sterben?

Muthammals Situation wurde im Kreise der Dorfbewohner, ihrer Familie und Intact diskutiert. Jede „Partei“ schlug Möglichkeiten vor, wie dem Mädchen geholfen werden könnte. Dabei wurde uns wieder einmal bewusst, wie verschieden unsere Ansichten und Mentalitäten sind. Der sehr lebendige Meinungsaustausch dauerte einige Zeit. Auch Muthammal selbst wurde gefragt, was sie tun möchte. Aber was sollte sie antworten? Die einzigen „Berufe“ die sie und alle anderen Leute in den Kalrayan-Hills kennen, sind Lehrer, Polizist oder Bauer. Die junge Frau konnte nicht wissen, welche Möglichkeiten es für sie gibt. Also schlugen wir ihr vor, dass sie einen kleinen Laden führen, Stickerin oder Näherin werden könnte.

Gemeinsam haben wir uns entschieden, dass sich Muthammal als Näherin ausbilden lassen könnte. Als erstes aber soll sie Lesen und Schreiben lernen. So wird sie später selber für ihren Lebensunterhalt aufkommen können und unabhängig sein. Für sie heisst das aber, dass sie weg aus ihrer gewohnten Umgebung, weg von ihrer Familie ins Tal nach Vellimallai ziehen muss.

Trotzdem will es Muthammal versuchen und freut sich riesig auf ihre Ausbildung. Wir sind sicher, dass sie ihr Bestes geben wird! Über ihre Fortschritte werden wir Sie nun laufend informieren.

 

Balsthal, 24. November 2007/he