Eine Chance für Muthammal?

 2. Teil

Muthammal ist bereits in unserem Hostel. Sie wohnt dort mit anderen Mädchen zusammen und gewöhnt sich langsam an das neue Leben.

 

 

 

Ganz so einfach gestaltete sich die Reise nicht. Unser „Fieldworker“ Ellumallai hatte den Auftrag, Muthammal mit dem Motorrad abzuholen, sie zum Bus zu bringen und bis zum Hostel zu begleiten. Doch als er sie am besprochenen Tag abholen wollte, waren ihre Kleider, die sie gewaschen hatte, noch nicht trocken, sie konnte nicht abreisen. Also kam Ellumallai einen Tag später wieder. Dieses Mal klappte es und Muthammal konnte das erste Mal in ihrem Leben auf einem Motorrad fahren. Das erste Mal in ihrem Leben fuhr sie im Bus und das erste Mal sah sie etwas anderes als ihr Dorf.

Die Leiterin des Hostels hat bereits begonnen, Muthammal lesen und schreiben beizubringen. Leider hat sie feststellen müssen, dass das Mädchen an einer Art Legasthenie leidet. Sie schreibt die Buchstaben spiegelverkehrt. Aber möglicherweise sind das nur Anfangsschwierigkeiten.

Muthammal wird es wohl das erste Mal so richtig bewusst, dass sie sich von den anderen Mädchen unterscheidet. Dauernd fragt sie, warum sie nicht gesunde Beine hat. Sie leidet unter ihrer Behinderung und hat Minderwertigkeitskomplexe. Manchmal sagt sie, sie habe Magenschmerzen. Es sei, als ob sie alte Lumpen im Bauch hätte. Deshalb werden wir sie bald zum Arzt bringen, um sie untersuchen zu lassen. Vielleicht ist es aber auch nur die Aufregung und das Heimweh nach ihrem Dorf. Wie gut, dass die Leiterin des Hostels – unsere Hausmutter – einen einjährigen Jungen hat. Muthammal liebt es, auf ihn aufzupassen, ihn zu wiegen und zu verwöhnen. Wir wünschen uns, dass dieses Baby ihr über das Heimweh hinweghilft und ihren Durchhaltewillen stärkt.

Fast jeden Tag ruft unsere Sozialarbeiterin Jeslin im Hostel an, um nach Muthammal zu fragen. Diese aber getraut sich nicht, mit dem ihr unbekannten Apparat zu kommunizieren. Jedes Mal muss unsere Hausaufseherin den Anruf entgegennehmen und zwischen den beiden Frauen vermitteln. Also hatte Jeslin die Idee, über die Freisprechanlage zu reden. Nun hat sie die Möglichkeit, direkt mit unserem Schützling zu sprechen.

Es wird für niemanden eine leichte Aufgabe werden und wir sind dankbar, dass wir so gute Leute in Indien haben, die uns unterstützen. Wir melden uns wieder, sobald wir Neuigkeiten aus Vellimallai haben.

 

Balsthal, 29. November 2007/he